W e r b e l n
W e r b e l n

Werbeln im Dreißigjährigen Krieg

(1618 -1648)

Auszug aus „Die Geschichte des Dorfes Werbeln“ von Josef Burg

 

Wenn im folgenden wieder von Werbeln die Rede sein wird, dann ist nicht mehr das Dorf auf der Anhöhe zwischen dem Bisttal und dem Tal des Mühlenbachs, gegenüber den Wirbeln der Bist, gemeint. Ein furchtbares Kriegsunwetter entlud sich in unserer Gegend und löschte das alte Werbeln aus.

Im Jahre 1618 hatte sich in Böhmen ein Funke entzündet, der sich zu einem verheerenden Brande über ganz Deutschland ausbreitete und auch unsere engere Heimat furchtbar verwüstete. Es handelt sich um den Dreißigjährigen Krieg. Dabei ließ er sich zu Anfang noch ganz leidlich an. Bis zum Jahre 1625 hören wir nur von gelegentlichen Durchmärschen kaiserlicher Heere, die jedoch das Wadgasser Gebiet verschont zu haben scheinen. Schlimmer wurde es, als in den Jahren 1625, 1626 und 1627 mehrere kaiserliche Regimenter in der Saargegend einquartiert wurden. In und um Wadgassen hauste das Regiment Kratz. Die „Kratzischen Völker", wie das Volk diese Truppe nannte, haben ein unrühmliches Andenken hinterlassen. Fast zwei Jahre lebten sie hier auf Kosten der Bauern, nahmen alles weg, was sie brauchten und was ihnen gefiel, belästigten und peinigten die Bewohner in unsagbarer Weise und fügten so den Wadgasser Dörfern unermesslichen Schaden zu. Als sie endlich abrückten, war der größte Teil des Viehbestandes sowie der Heu- und Saatvorräte aufgebraucht und aufgezehrt. Auf Veranlassung des Abtes wurde am 24. Jan. 1628 für das Gebiet der Meyerei eine Schadensnachweisung erstellt, die leider nur als Bruchstück erhalten ist. Der Teil davon, der Werbeln betraf, ist verlorengegangen. In dieser Nachweisung haben einige Bauern aus Hostenbach ihre erlittenen Schäden angegeben, spezifiziert nach Vieh, Heu, Stroh, Getreide, Lebensmitteln, Salz, Wachs und Geld. Ob sie jemals eine Entschädigung erhalten haben, ist nicht bekannt, kann aber mit gutem Grund bezweifelt werden.

Hinzu kam, dass der Graf von Saarbrücken sich genötigt sah, eine sogenannte Landrettungssteuer dem ganzen Landę aufzuerlegen. Der Anteil der Meyerei an dieser Steuer betrug am 18.03.1625 20 Reichsthaler je Woche, am 25.03.1625 wiederum 20 Reichsthaler. 1627 sollten trotz der Verarmung 100 Gulden aufgebracht werden, ebenso in den folgenden Jahren. Es ist schon ein Rätsel, wie das bis aufs Blut ausgesogene, ausgebeutete Land diese Summen überhaupt aufbringen konnte.

Von 1629 bis 1634 trat dann eine kleine Atempause ein. Einquartierungen und Durchzüge von Heeren blieben zwar nicht aus, aber sie beschränkten sich doch nur auf wenige Tage. Die schlimmste Phase dieses Krieges begann 1635. Immer neue Heerhaufen tauchten auf. Schweden, Franzosen, Weimarische, Kaiserliche lösten einander ab, raubten und mordeten, plünderten und brandschatzten. Säen und ernten war für die wenigen Überlebenden unmöglich und sinnlos. An Wiederaufbau war nicht zu denken. Wer die ersten Plünderungen und Heimsuchungen überstanden hatte, flüchtete in die Wälder. Das jüngere Volk schloss sich kurzerhand den durchmarschierenden Heerhaufen an und zog mit ihnen weiter, in der Meinung, bei den Plünderern habe man es besser als bei den Geplünderten. Hunger und Seuchen taten ein übriges. So wurden die Einwohner der Dörfer Differten und Schaffhausen restlos ausgerottet, während in Werbeln eine und in Hostenbach drei Familien sich nach Kriegsende wieder einfanden. Wie und wo ihnen das Überleben gelang, wird wohl nie mehr festzustellen sein. Die Dörfer selbst waren eingeäschert und fast dem Erdboden gleich, eine Behausung für Füchse und Wölfe, wie das Breviarium berichtet.

Die Wadgasser Chorherren verließen ihr Kloster, als die Schweden zum zweiten Male heranrückten. Die Berührung beim ersten mal hatte ihnen genügt. Nach kurzem Aufenthalt in ihrem Hause in Wallerfangen flohen sie nach Trier und warteten dort das Ende des Krieges ab. Mehr als hundertmal soll das Kloster in diesen Jahren des Schreckens geplündert worden sein, erzählt uns Abt Philipp Gretsch (1636 - 1667). Das Lebensschicksal dieses Abtes ist bezeichnend für diese furchtbaren Zeiten. Gewählt wurde er in den Jahren des Aufenthaltes zu Trier 1636. Seine Bestätigung vom Ordensoberen und seine Benediktion erfuhr er ebenfalls dort.

Vermutlich musste er in Trier acht Jahre wartend und müßig zubringen, bis ihm die Heimkehr - so um 1644 - möglich war. Aber wie fand er das Kloster vor? Die Gebäude geplündert, verfallen, vernachlässigt, verschmutzt, aber doch wenigstens nicht abgebrannt. Keine Menschen, kein Vieh, kein Saatgetreide, keine Lebensmittel! Der Abt musste mit seinen Chorherren selbst zu Spaten und Hacke, zu Sense und Pflug greifen, wenn er wenigstens das nackte Leben fristen wollte. Aber immer noch gab es keine Ruhe, immer noch zogen Kriegsvölker durch das Land und nahmen mit, was sie fanden. Erst nach dem Jahre 1652 - also vier Jahre nach Kriegsende und acht Jahre nach der Rückkehr von Trier - traten langsam wieder ruhige und friedliche Verhältnisse ein. Für den Abt Philipp Gretsch rissen die Sorgen und Plagen jedoch nicht ab. Die Landesherren verlangten Steuern und Kontributionen, die er kaum aufbringen konnte. Die gräfliche Regierung in Saarbrücken verweigerte die Anerkennung seiner Abtwürde und erklärte seine Wahl -  nach 20 Jahren! - für ungültig. Als Abt Philipp Widerstand zu leisten wagte, musste er flüchtend das Kloster verlassen, um nicht in die Hände des nach ihm ausgeschickten Militärs zu fallen. Müde und alt starb er im Jahre 1667.

Abt Philipp Gretsch ist es, dem wir die erste Nachricht über Werbeln nach dem Dreißigjährigen Krieg verdanken. Auf der Kirchenrechnung der Oberkirche schrieb er mit eigener Hand einige persönliche Bemerkungen über die trostlose Lage der Abtei und ihrer Dörfer in lateinischer Sprache an den Rand des Rechnungsblattes. Darin erzählt er von einem Mann aus Werbeln mit Namen Hans, der nicht wie die anderen das Land habe verlassen wollen und deshalb allein zurückgeblieben sei. Der Hunger habe ihn dazu getrieben, Menschen totzuschlagen und zu essen. Abt Philipp schreibt weiter, er habe mit eigenen Augen die Eingeweide und Knochen erschlagener Menschen gesehen. Er habe auch selbst die Beerdigung einer Frau aus Fürstenhausen veranlasst, die mit ihrem Manne bei dem Menschenfresser zum übernachten eingekehrt und dort in der Nacht getötet worden sei. Ihr Mann habe im Schlafe mehrere Schläge erhalten, habe aber entkommen können.

Mit dieser Eintragung des Abtes findet die alte Werbelner Überlieferung vom Hans Mohr ihre geschichtliche Bestätigung, im Gegensatz zu vielen anderen saarländischen Orten, in denen auch von einem Menschenfresser erzählt wird, wofür aber meist keine schriftlichen Belege beigebracht werden können.

Als mit der Rückkehr des Abtes und der Chorherren wieder eine Obrigkeit im Lande war, musste Hans sein grausiges Handwerk einstellen und ebenfalls das Dorf räumen. Damit hatte offensichtlich der letzte Einwohner aus der Vorkriegszeit Werbeln verlassen und das Dorf lag einsam, verödet und verwüstet da.

Das Lied "Landsknecht" von Hannes Wader aus dem Album "Glut am Horizont"
 

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