Die Geschichte der Schule(n) in Werbeln
von Johannes Peter Walter
Wenn Kinder im Mittelalter überhaupt etwas lernen konnten, so lernten sie dies in Klöstern.
Die frühere Prämonstratenserabtei "St. Maria" Wadgassen unterhielt schon seit ihrer Gründung im Jahre 1135 einen Schulbetrieb zur Ausbildung der Kinder der Bediensteten und der zukünftigen Chorherren.
Im Mittelpunkt des Lernens stand der Glaube, wie das Lesen von Bibel und Heiligenlegenden und das Abschreiben christlicher Texte. Doch die Kinder lernten auch so wichtige Grundfertigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen und Singen.
Wer eine Art von "höherer Bildung" erlangen wollte, musste sich darüber hinaus noch mit Grammatik, Rhetorik und Dialektik befassen. Diese sprachlichen Fächer nannte man "trivium", das
bedeutet "Dreiweg". Zum "Quadrivium" (Vierweg) gehörten Arithmetik (Zahlenlehre), Musik, Geometrie und Astronomie.
Trivium und Quadrivium bildeten zusammen die "Sieben freien Künste", lateinisch die "Septem artes liberales".
Die Lehrsprache in den Klosterschulen war Latein. Erst ab Beginn des 19. Jahrhunderts wurde in deutscher Sprache unterrichtet.
Jedoch hatten wohl nur sehr wenige Kinder aus der dörflichen Bevölkerung überhaupt die Möglichkeit, eine Schulausbildung zu erhalten. Sie wurden als billige Arbeitskräfte bei der Feldarbeit oder für das Hüten des Viehs benötigt. Auch fehlten oft die finanziellen Mittel, um das teilweise verlangte Schulgeld aufzubringen. Für Mädchen war der Besuch einer Schule nicht vorgesehen. Sie konnten eine Schulausbildung nur erhalten, wenn sie als Nonne in ein Kloster gingen.
Als die Abtei in Wadgassen 1792 im Zuge der Französischen Revolution aufgelöst wurde, gab es bis 1803 in näherer Umgebung gar keine Schule mehr. Von dann ab wirkte ein Josef Burtin, seines Zeichens ein Holzdreher, als Lehrer in Wadgassen. Ein Schulhaus gab es nicht. Die Schüler wurden in der Wohnung des Lehrers unterrichtet.
Nachdem 1825 die allgemeine Schulpflicht eingeführt worden war, besserten sich die Verhältnisse. Schon ab 1820 hatten Wadgassen und Schaffhausen jeweils eine Schule. Die Werbelner Schüler mussten in die Schule nach Schaffhausen und dabei einen schlechten Weg von ca. 4 km täglich zurücklegen.
Um diesem „Übelstande abzuhelfen“ beschloss die Gemeindevertretung den Neubau eines Schulsaales mit Lehrerwohnung, welcher im Jahr 1888 zur Ausführung kam und 13.000 Mark kostete.
Johann Meeß übernahm als erster Lehrer den Dienst in Werbeln. Zeitweilig waren mehr als 110 Kinder in der Schule. Anders als in der Stadt bestimmte auf dem Land die überwiegend einklassige Dorfschule das Bild, in der ein Lehrer bis zu 100 Schüler unterschiedlichen Alters unterrichtete.
Die ständige Zunahme der Schulkinderzahl machte die Bereitstellung eines neuen Schulsaales und Gründung einer neuen Schuklasse nötig. Anfangs war eine Aufstockung auf den vorhandenen Saal beabsichtigt. Da sich aber dieses Projekt wegen des unter dem Ort Werbeln betriebenen Kohleabbaus als unmöglich erwies, wurde ein neben dem Schulgebäude liegendes Grundstück angekauft und im Jahr 1911 ein weiterer Schulsaal angebaut. Später wurde in der früheren Schachtanlage ein 3. Saal eingerichtet.
Die kath. Volksschule Werbeln bildete mit der Volksschule Schaffhausen zusammen den Schulverband Schaffhausen-Werbeln. Die Verwaltung und Interessenvertretung dieser Einrichtung oblag dem Schulvorstand, der aus mehreren Vertretern beider Gemeinden gebildet wurde. Alle finanziellen Lasten des Schulverbandes gingen zu 1/3 der Kosten auf die Gemeinde Werbeln, zu 2/3 wurden sie von Schaffhausen getragen. Für das Lehrerhaus war die Gemeinde Werbeln allein zuständig.
Der Schulverband Schaffhausen-Werbeln wurde im Dezember 1951 auf Grund eines Gemeinderatsbeschlusses von Schaffhausen aufgelöst, d.h. Schaffhausen erklärte seinen Austritt aus dem Schulverband und ordnete an, die Kinder des Ortsteils Schäferei-Schaffhausen, die seit 1888 die hiesige Schule besuchten, nach Schaffhausen einzuschulen. Die Eltern der betroffenen Kinder widersetzten sich geschlossen dieser Aufforderung und schickten ihre Kinder weiter nach Werbeln in die Schule.
Für die Jahre bis zum 2. Weltkrieg liegen kaum statistische Zahlen über die Schule vor, weil die Akten infolge von Kriegseinwirkung verloren gingen. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Schulhaus notdürftig wiederhergestellt und der Unterricht in den noch nicht verglasten Sälen wieder aufgenommen. Überall Spuren des Krieges ! Auf die Schultür hatte ein amerikanischer Soldat mit bunter Farbe ein Herz gemalt und hineingeschrieben: teacher, my heart for you (Lehrer, Dir gehört mein Herz).
Im Frühjahr 1946 wurde die Stelle des im Kriege verstorbenen Lehrers Franz Langenberg neu besetzt.
(Einer seiner Söhne, Oberleutnant zur See Bruno Langenberg, war Kommandant des U-Bootes U 366. Dieses wurde am 05.03.1944 nordwestlich von Hammerfest versenkt).
Noch immer hatten die Säle keine Verglasung. Die Saalöfen wurden mit Papphülsen von Kartuschen, die haufenweise in den verlassenen Geschützstellungen herumlagen, geheizt.
Ab 1945 lagen dann wieder Zahlen über den Schülerstand vor:
1945/46 167 Schüler
1947/48 163 "
1949/50 149 "
1950/51 138 "
1952/5З 121 "
1954/55 98 "
1955/56 102 "
Nachdem 2 Unterrichtssäle wieder betriebsklar waren, mietete die Gemeinde das kath. Pfarrjugendheim als 3. Unterrichtsraum an. Das Pfarrjugendheim war klein und besonders während des Winters ungemütlich. Aus diesen und anderen Gründen entschloß sich die Gemeinde zum Bau einer vierklassigen Volkschule auf der Hardt.
Am 30. Juli 1954 wurde mit den Bauarbeiten begonnen . Die neue Schule, die am 29. Oktober 1955 eingeweiht wurde, erhielt den Namen
„St. Oranna-Schule“.
Außer den 4 Lehrsälen umfasste das Schulhaus Nebenräume wie Konferenzzimmer, Lehrmittelraum, Bücherzimmer und einen Werkraum.
Im Kellergeschoß der Schule war darüber hinaus ein „Gemeindebad“ eingerichtet. In den 50er und 60er Jahren gab es vor allem in den älteren Häusern noch keine Badezimmer mit Dusch- oder Badewanne, wie wir es heute kennen. Daher waren viele Einwohner auf eine solche öffentliche Bademöglichkeit angewiesen. Das Gemeindebad, das von den Herren Gregor Klemens und Josef Mang betreut wurde, bestand aus einer Badewanne und einer Duschanlage. Badetag war der Samstag. Man brachte Handtuch und Seife mit, erhielt eine Eintrittskarte und wartete bis die Badewanne frei war oder duschte ausgiebig.
Im Jahr 1974 begann man mit dem Anbau einer Schulturnhalle, die 1975 ihrer Bestimmung übergeben wurde. Zwischen 1995 und 2001 wurden einige bauliche Änderungen an der Turnhalle vorgenommen. So wurde die Halle um einen zusätzlicher Geräteraum erweitert und ein neuer Eingangsbereich gebaut, um die Halle besser für Veranstaltungen nutzen zu können.
Im Jahr 2007 wurde die Grundschule in Werbeln um eine „Freiwillige Ganztagsschule“ erweitert. Im Juni wurden die Fertigteile der Klassencontainer angeliefert und bereits am 20. August fand die Einweihung statt.
Pünktlich zum Schuljahresbeginn 2007/2008, nach einer Bauzeit von nur fünf Monaten, nahm die „Freiwillige Ganztagsschule“ an der Grundschule St. Oranna Werbeln in 2 Gruppen und mit mehr als 30 Schülern den Lehrbetrieb auf.
Das Ende des Schuljahres 2016 bedeutete auch das Ende der Schule in Werbeln. Den stetig zurückgehenden Schülerzahlen wurde Rechnung getragen und der Schulbetrieb innerhalb der Gemeinde Wadgassen neu organisiert. Die Grundschüler aus Werbeln besuchen jetzt die "Grundschule im Bisttal Differten". Das ehemalige Grundschulgebäude in Werbeln wird nun von der Musikschule Wadgassen genutzt.
Damit ist die Schule in Werbeln nur noch Geschichte.