Der Kriegsschacht Werbeln
Harald Kaufmann
Am 28. Juli 1917, Ende des dritten Jahres des Ersten Weltkrieges, stellte die Grube Hostenbach einen Bauantrag für den Neubau einer Schachtanlage in Werbeln, dem am 30. Dezember 1917 entsprochen wurde. Mit den zur Genehmigung vorgelegten Bauarbeiten wurde allerdings schon Anfang des Jahres 1917 begonnen. Am 10. November 1919 wurde der Schacht in Betrieb genommen. Er diente fortan als Wetter- und Förderschacht und als Fahrschacht für die Bergleute aus Werbeln und Differten.
Das erste Seilscheibengerüst (Förderturm, Schachtbock) war eine Holzkonstruktion, sicherlich aus der Not geboren, weil Eisen für die Produktion von Kriegsmaterial benötigt wurde.
1926 ersetzte man das Seilscheibengerüst aus Holz durch eine Eisenkonstruktion. Im Nachfolgenden die Begründung für die Abteufung eines neuen Schachtes in Werbeln.
Die Kohlenvorräte, die vom Union-Schacht in Hostenbach aus abgebaut wurden, waren um die Jahrhundertwende 1900 weitestgehend erschöpft. Probebohrungen über und unter Tage sowie die Abteufung eines Versuchschachtes in Wadgassen brachten keine zufriedenstellenden Ergebnisse, sodass man sich bereits um 1900 durchaus bewusst war, dass die Grube Hostenbach, sollten sich keine neuen Abbaufelder finden, in absehbarer Zeit die Förderung einstellen musste. Am 30./31. Mai 1901 schreibt der damalige Direktor der Grube Hostenbach Kayser unter anderem an das Oberbergamt Bonn:
„ . . . Es ist bereits hervorgehoben worden, daß die Anlage Union der Grube Hostenbach keine Zukunft mehr hat. Bedeutende Sprünge, welche in letzter Zeit angefahren wurden, dürften die Lebensdauer erheblich vermindern. Wenn der Nord-Schacht bei Wadgassen nicht neue Aufschlüsse bringt, was kaum zu erwarten ist, so wird die jetzige Anlage vielleicht schon in 3 Jahren verhauen sein. Die Tagesförderung beträgt z. Z. höchstens 300 t Kohlen.“ (1)
Ein Glücksfall für die Grube Hostenbach war die Stilllegung der Grube Geislautern Ende November 1908. Als Folge erhielt die Privatgrube Hostenbach am 7. Oktober 1913 aus dem Reservefeld der früheren Grube Geislautern 1.177.800 m² zum Abbau der darin vorkommenden Flöze. Als Gegenleistung musste die Grube Hostenbach eine Förderabgabe je Tonne geförderter Kohle an den preußischen Fiskus zahlen.
Flöz Karl, das einzige noch abbauwürdige Flöz der Grube Hostenbach, wurde bereits bis unter Werbeln abgebaut. Es war, besonders für die Bergleute aus Werbeln und Differten, die im Union-Schacht in Hostenbach einfahren mussten, nur unter erschwerten Bedingungen zu erreichen. Durch die Erweiterung des Abbaugebietes nach dem Erwerb des Pachtfeldes der ehemaligen Grube Geislautern wurden Hin- und Rückweg dieser Bergleute über und unter Tage bis zu ihrem Arbeitsplatz immer länger und mühsamer, die Zufuhr von ausreichender Frischluft (Wetter) über den Loreley-Schacht in Wadgassen und den Union-Schacht in Hostenbach immer problematischer. In den Wintermonaten, bei zehnstündigem Arbeitstag, verließen die Werbelner Bergleute bei Dunkelheit ihr zu Hause, arbeiteten zehn Stunden in der Dunkelheit unter Tage und kehrten abends im Dunkeln wieder nach Werbeln zurück. Und das sechsmal die Woche, im Laufe des Ersten Weltkrieges siebenmal.
In einer „Begründung der Notwendigkeit des geplanten Wetterschachtes in Werbeln“ (2) vom 15. Juni 1917 beklagt der damalige Obersteiger Gehring die schlechten Bedingungen unter und über Tage, die das Gedinge der Bergleute von vornherein wesentlich vermindern. Er verweist auf den langen Fußmarsch, den die Werbelner und Differter Bergleute über Tage zurücklegen müssen, um im Hostenbacher Union-Schacht einzufahren. Unter Tage noch einmal dieselbe Strecke unter erschwerten Bedingungen um an die eigentliche Arbeitsstelle zu gelangen, wo die Grubenleitung große Schwierigkeiten hat, für ausreichende Frischluft zu sorgen. Als Ergebnis seiner Analyse schlägt Gehring die Abteufung eines Wetter- und Fahrschachtes in Werbeln vor, was zu einer Erhöhung der Arbeitsleistung insbesondere der Werbelner und Differter Bergleute führen würde und damit zu einer größeren Produktivität der Grube Hostenbach. Vorausschauend verweist er darauf, dass man recht bald nach Friedensschluss die Vorteile des Werbelner Schachtes ausnützen könnte und „an der zu erwartenden Hochkonjunktur nach dem Kriege gut gerüstet lebhaften Anteil zu nehmen in der Lage sei.“ (3)
Aus den vorgenannten Gründen entschlossen sich die Anteilseigner der Grube Hostenbach zur Abteufung eines neuen Schachtes in Werbeln, der der Förderung von Kohlen für den Landabsatz, besserer Frischluftzufuhr und der Ein- und Ausfahrt der Werbelner und Differter Bergleute dienen sollte. Gefördert wurde bis zum 15. April 1932. Zu diesem Zeitpunkt waren auch die Kohlenflöze des Pachtfeldes erschöpft und die Grube Hostenbach wurde wegen Unrentabilität geschlossen.
Am 1. Februar 1931, kurz vor Schließung der Grube Hostenbach, ereignete sich auf der Schachtanlage Werbeln noch ein schwerer Unfall. Das Förderseil riss und der Förderkorb stürzte mit zwei Arbeitern etwa 80 m in die Tiefe. Der 22 Jahre alte Lehrhauer W. Kramer aus Differten war sofort tot, der 50jährige Zimmerhauer J. Lorsen erlitt so schwere Verletzungen, dass er kurze Zeit nach dem Unfall ebenfalls verschied.“ (4)
(1) Archiv Villeroy & Boch Merzig, Bestand 288.g), Grube Hostenbach.
In: Harald Kaufmann, Grube Hostenbach, 2009, Seite 177.
(2) Ebenda, Seite 73.
(3) Ebenda, Seite 75.
(4) www.geosaarmueller.de